Emotionale Kompetenz in der Führung – Interview mit Susanne Wieland

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Die Emotionale Kompetenz wird immer entscheidender für Führungskräfte. Im letzten Blog-Beitrag berichtete Susanne Wieland über die Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Arbeit dazu. Heute erläutert sie ihre persönlichen Einschätzungen und ihre praktischen Führungserfahrungen.

Liebe Frau Wieland, Emotionen, Emotionale Kompetenzen und Führung begeistern Sie schon länger. Sie haben Ihre Diplomarbeit* zum Thema „Emotionale Intelligenz und Führung“ geschrieben und eine empirische Forschungsarbeit zur Relevanz von emotionalen Kompetenzen für die Führung von pflegerischen Mitarbeitern im Krankenhaus durchgeführt. Heute arbeiten Sie im Klinikum Fürth und erleben diese Themen in Ihrer Führungsposition ganz direkt. Lassen Sie uns an Ihren Erfahrungen teilhaben.

Welche Bedeutung messen Sie der Emotionalen Intelligenz in Organisationen und in der Führung zu?
Mich persönlich hat das Thema von seiner Relevanz überzeugt. Ich gehe davon aus, dass die Bedeutung von Emotionen in Organisationen und die Bedeutung von Emotionaler Intelligenz in der Mitarbeiterführung zunehmen wird. Was mich zu dieser These veranlasst, sind zum einen die Erkenntnisse aus meiner Forschungs- und Diplomarbeit. Zum anderen die Tatsachen, dass deutliche Zusammenhänge zur Mitarbeiterbindung und der Zufriedenheit am Arbeitsplatz bestehen. Wichtig ist, dass unsere zugrundeliegende, persönliche Emotionen unbewusst entstehen und wirken, sich dabei auf andere übertragen und allgegenwärtig sind. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang, dass emotional besetzte Vorgänge unsere Stimmungen, die Wahrnehmungen und die Erinnerungen, innerhalb und außerhalb des Unternehmens prägen und beeinflussen. Aus systemischer Sicht wirken sich unsere Emotionen somit fortlaufend auf die Organisation, auf deren Strukturen und auf das emotionale Befinden aller am System Beteiligten aus.

Welchen Nutzen hat Emotionale Kompetenz und was bedeutet dies für Führungskräfte?
Wenn die emotionale Bindung der Mitarbeiter an die jeweilige Organisation eng mit dem Führungsverhalten des direkten Vorgesetzten zusammenhängt und Führungskräfte hierbei hauptsächlich durch sich selbst wirken können, steigt der Nutzen und die Relevanz eines intelligenten Umgangs mit Emotionen deutlich an. Emotionale Kompetenz beschreibt hierbei ein tiefes Verständnis der eigenen Emotionen, der eigenen Stärken und Schwächen, der persönlichen Werte und Motive und führt zu einem authentischen und überzeugenden Handeln. Die Basis dessen stellt eine ausgeprägte Selbstwahrnehmung dar, auf der die persönliche Selbstmanagementfähigkeit aufbaut. Dies bildet die Voraussetzung für einen fokussierten Antrieb zur Zielerreichung. Die Fähigkeit von Führungskräften, die Strukturen und die Mechanismen soziale Gemeinschaften wahrzunehmen und dabei zugleich die Beziehungen und Gruppen gestalten, koordinieren und steuern zu können, bedarf aus meiner Sicht emotionaler Führungskompetenzen.

Welche besonderen Erfahrungen haben Sie persönlich mit Ihrem wissenschaftlichen Background in Ihrer Führungsfunktion gemacht?
Ja, das ist eine interessante Frage, die wohl Gerald Hüther ziemlich genau auf den Punkt bringt. Hiernach sind es nicht unser vieles Wissen, oder auswendig Gelerntes und nicht die gelesene Literatur, sondern unsere Vorstellung, die inneren Muster und unsere Welt- und Menschenbilder, die unser Denken und Handeln leiten. Ich persönlich wurde zur Führungskraft während ich noch mit meiner Diplomarbeit beschäftigt war. Das Thema Emotion und Führung hat mich gefunden, begeistert und lässt mich seither nicht mehr los. Und obwohl ich mich mit diesem komplexen Thema bis heute sehr intensiv beschäftige, nehme auch ich immer wieder von Neuen an der Achterbahn der Gefühle teil und lasse mich von meinen inneren „Teufelchen“ antreiben. Jedoch mit einem Unterschied, ich nehme dies wahr, lerne und bin mir dessen immer mehr bewusst. Emotionale Führung wächst aus persönlichen Erfahrungen. Der Weg dahin setzt Mut, Vertrauen und Geduld mit sich selbst und mit anderen voraus. Ein Weg, der es wert ist.

Sollte man Emotionen in der Führung überhaupt zulassen? Ist das nicht zu gefährlich?
Hierfür möchte ich an dieser Stelle keine passende wissenschaftliche Antwort gebe. Denn dies muss jeder einzelne für sich selbst herausfinden. Ich kann nur dazu ermutigen, es zu versuchen. Jeder ausgetragene Konflikt und jede dabei entstandene Emotion trägt zum persönlichen Wachstum bei. Die Auseinandersetzung erfordert zwar etwas Mut und die Bereitschaft genauer hinzusehen, es lohnt sich aber auch. Was kann denn schon Schlimmes passieren? Aus meiner Sicht gehören Emotionen zu unserem Leben – auch und besonders weil wir Führungskräfte sind. Sie machen uns menschlich und echt. Unterdrücken wir diese, dann laufen wir Gefahr, diese möglicherweise nicht mehr wahrzunehmen und dann auch nicht mehr intelligent damit umgehen zu können. Nehmen wir unsere Emotionen ernst beziehungsweise als einen Teil von uns an, müssen wir diese auch nicht weiter unterdrücken oder bekämpfen. Das bringt Gelassenheit und etwas mehr innere Ruhe für uns und andere. Gedanken, die ich hier gerne teilen möchte.

Welche drei praktischen Empfehlungen haben Sie für Führungskräfte beim Umgang mit Emotionen, Emotionale Intelligenz und Führung?
Ich bin der Ansicht, dass Emotionale Kompetenzen nicht theoretisch vermittelt werden können, sondern nah an der Praxis und am Menschen. Hintergrund ist, dass die notwendigen neuronalen Vernetzungen, nur durch Selbstwahrnehmung und -erfahren entstehen. Was ich in diesem Zusammenhang empfehlen kann sind „Sparringspartner“. „Sparringspartner“, mit denen unterschiedliche Lernsituationen ausgetauscht, geteilt und so individuelle Lösungsansätze für die Praxis entwickelt werden können. Zu bedenken gilt, dass unser neuronales Motivationssystem stark auf Empathie und somit auf Achtsamkeit reagiert. Es ist auf Beachtung und Anerkennung ausgerichtet, wenn dies authentisch gezeigt wird. Dabei überprüft unser präfrontaler Cortex fortlaufend unsere Sprache, Körpersprache, Blicke, Mimik, Gestik und Stimmlage auf Authentizität. Wird diese Voraussetzung erfüllt, folgt Wohlgefühl, Motivation und Leistungsbereitschaft. Wird das Gefühl nach sozialer Akzeptanz verletzt, tritt das Gegenteil ein.

Herzlichen Dank, Frau Wieland! Wir wünschen Ihnen weiterhin viele neue emotionale Erkenntnisse und viel Erfolg bei Ihrer wertvollen Arbeit. Wir freuen uns, wenn Sie auch zukünftig Ihre Erfahrungen im Blog mit uns teilen.

Das Interview führt Christoph Hauke.

* Die Diplomarbeit mit den Ergebnissen der empirischen Forschungsarbeit von Susanne Wieland erhalten Sie hier: http://bit.ly/1IGD7HT