Liebe Stefanie, Du warst zuletzt Director Training & Development bei der ARAMARK Holding und bist seit drei Jahren Inhaberin der Werte-Manufaktur, einem Trainings- und Beratungsunternehmen. In deiner trainings- und beratungsfreien Zeit lebst du dort, wo andere gerne Urlaub machen – auf einem Bergbauernhof im wunderschönen Vinschgau / Südtirol.
Du bezeichnest dich selbst gerne als Grenzgängerin zwischen zwei Welten. Welche Erfahrungen aus dem Wechsel zwischen Geschäftswelt und Bergbauernhof empfindest du als besonders wertvoll?
Wertvoll finde ich, dass beide Perspektiven einander bereichern. Meine unternehmerische Brille und mein ganzheitlicher Beratungsansatz helfen mir, die für den Erhalt des Hofes wichtigen wirtschaftlichen Entscheidungen von unterschiedlichsten Seiten zu beleuchten. Andererseits lerne ich jeden Tag aufs Neue, dass sich nicht jede „wert-volle“ Arbeit rechnet. Viele Anstrengungen lassen sich nicht in Euro und Cent berechnen – sie bereichern ohne im materiellen Sinne reich zu machen. Das erdet mich gewissermaßen. Die Einfachheit des bergbäuerlichen Umfeldes unterstützt mich regelrecht, die Führungs-Herausforderungen meiner Kunden zu „ent-komplizieren“. Wenn man sich ausschließlich im Business bewegt, hat man aufgrund der stetig steigenden Komplexität häufig kein Auge mehr für einfache Lösungen. Das kenne ich noch allzu gut aus meiner eigenen Zeit in Führungsverantwortung. Dabei ist der gesunde Menschenverstand ein ausgezeichneter Berater. Klug zu agieren, hat nicht zwingend etwas mit schulischer Bildung zu tun. Eine alte Bergbäuerin, die nie etwas anderes als ihren Hof gesehen hat, würde ich – obwohl sie keinerlei „Management-Knowhow“ hat – definitiv als klugen Kopf bezeichnen.
Welche Wertvorstellungen einer traditionellen Südtiroler Bergbauern-Familie lassen sich auf moderne Unternehmen im globalen Wettbewerb übertragen?
Menschlichkeit, Respekt und Demut – Glaubwürdigkeit und Gradlinigkeit – Mut und Entscheidungsfreude – Entschlossenheit in der Umsetzung der gemachten Pläne, sowie eine ausreichend große Portion Gelassenheit, um auszuhalten, was man nicht ändern kann. Und nicht zu vergessen: Begeisterung, für das, was man tut, denn nur aus Begeisterung entsteht die nötige Energie, die man braucht, um erfolgreich zu sein. Viel mehr braucht es eigentlich nicht – egal ob im Kleinst-Unternehmen „Bergbauernhof“ oder beim wirtschaftlich knallhart kalkulierten Großunternehmen im internationalen Wettbewerb.
Warum ist die Verständigung auf gemeinsame Werte sowohl für eine Bergbauern-Familie, als auch für ein Unternehmen lohnenswert?
Weil gemeinsam getragene Werte stark machen. Stark fürs Leben, stark für den Wettbewerb, stark im Umgang mit Krisen, stark in der Umsetzung gemeinsamer Visionen. Werte machen das Leben wertvoll. Sie sind eine regelrechte Kraftquelle für Gemeinschaften – sie ermöglichen Identifikation und wirken sinnstiftend. Ich glaube, dass soziale Gemeinschaften nur dann richtig erfolgreich sind, wenn sich jeder als wertvollen Teil der Gemeinschaft begreift und sich – entsprechend seiner Möglichkeiten und Fähigkeiten – bestmöglich einbringt.
Besten Dank, liebe Stefanie! Weiterhin viel Erfolg und viel Spaß beim „Grenzgang“ zwischen den Welten. Wir würden uns freuen, wenn du uns im Blog gelegentlich an deinen Erfahrungen teilhaben lässt.
Das Interview führt Christoph Hauke.