Führen im Hier und Jetzt

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Auf unserem Bergbauernhof in Südtirol bieten wir seit diesem Sommer Trekking-Touren mit Lamas und Alpakas an. Neuweltkameliden werden nicht geritten, sondern geführt, d.h. sie begleiten uns auf unseren Wanderungen und tragen bei Bedarf unser Gepäck. Da man nicht aufsitzt, fällt die Möglichkeit der direkten, körperlichen Einflussnahme auf das Tier weg. Will man die eigenwilligen Tiere also bewegen mitzugehen, braucht es eine unmissverständliche Körpersprache, einen klaren Geist und die nötige Konsequenz. Lamas begegnen uns Menschen mit großer Neugier und gesundem Respekt. Sie „lesen“ uns förmlich und haben ein feines Gespür dafür, ob ihr (Führungs-) Mensch weiß, was er will und das auch mit ganzem Herzen verfolgt. Und jetzt wird es spannend, liebe Leserinnen und Leser.

Unsere kleinen Gäste – die jüngsten Lama-Führer waren 5 Jahre – hatten keinerlei Mühe, unsere Tiere konsequent zu führen – einige der Erwachsenen hingegen schon. Manche Minis waren sogar so im Einklang mit „ihrem“ tierischen Begleiter, dass die Lamas sich ihnen im Lauf-Rhythmus anpassten, d.h. Kind und Lama liefen im „Gleichschritt“. Absolut faszinierend zu beobachten. Und wissen Sie, woran das liegt? Kinder sind beim Führen der Tiere im „Hier und Jetzt“. Sie verstehen die ihnen übertragene Verantwortung als in diesem Moment einzige und von daher wichtigste Aufgabe. Da ist kein Platz für Ablenkung. Kein Platz für nebenher Bilder machen, telefonieren, googlen oder für Multitasking. Kinder sind maximal präsent. Sie gehen in dem, was sie gerade tun, auf. Sie genießen den Moment und schenken dem Mensch oder Tier, mit dem sie diesen Moment teilen, ihre ganze Aufmerksamkeit und ihr ganzes Herz.

Wie schön wäre es, wenn wir bei all den Diskussionen um Digitalisierung, Vernetzung, Komplexität und Führung 4.0 diese elementare Fähigkeit – im Hier und Jetzt zu sein – nicht ganz vergessen würden. Unsere Mitarbeiter hätten es in den immer seltener werdenden Momenten von Austausch und Führung verdient, voll und ganz im Mittelpunkt unseres Interesses zu stehen.

Wenn Sie das nächste Mal mit Mitarbeitern „des Weges“ sind, üben Sie sich doch mal in dieser kindlich-genialen Kompetenz des „Hier und Jetzt“. Vergessen Sie einfach mal Ihr Smartphone, Ihren vollen Terminkalender, das nächste Meeting, das laufende Projekt, den Markt, die Kunden, die noch nicht erreichten Ziele, die bevorstehende Beurteilungsrunde, den Budgetdruck… Schenken Sie Ihrem Mitarbeiter stattdessen Ihre ganze Aufmerksamkeit und Ihr ganzes Herz – für den einen Moment. Ich wette, es macht einen Unterschied. Und vielleicht entsteht sogar so etwas wie „Gleichschritt“ im Sinne von gemeinsamem Schwingen. Lassen Sie sich überraschen…

Stefanie Mößinger, Die Werte-Manufaktur