Recruiting: Diffizile Auswahlentscheidungen bei Fachkräftemangel

Soll man in bewerberschwachen Berufen auch Kandidaten einstellen, die die definierten  Anforderungen nicht voll erfüllen? Vor diesem Entscheidungsdilemma stehen immer mehr Führungskräfte und Personalmanager. Interessante Erkenntnisse ergaben sich aus Diskussionen in Veranstaltungen der Sozialwirtschaft und in Recruiting-Workshops.

Ein gefühltes Viertel der Befragten gibt sich konsequent und stellt keine Kandidaten ein, die nicht voll den definierten fachlichen und persönlichen Anforderungen entsprechen. Lieber keinen Mitarbeiter als einen „leistungsgeminderten“ Mitarbeiter. „Wenn das Geschäft wegen Personalmangel nicht einbricht, halten wir das durch“, so der Personal-Chef. Und weiter: „Ansonsten wäre es ja eine Einladung an alle derzeitigen Mitarbeiter, die Anforderungen auch nicht voll zu erfüllen“.

Eine kleine Anzahl von Führungskräften und Personalmanagern würde alle Kandidaten einstellen, damit der Geschäftsbetrieb überhaupt weiter laufen kann. „Anforderungen hin oder her, dann muss eben die Einarbeitung besonders gelingen. Wenn der Kandidat willig ist, etwas Neues zu lernen, dann ist alles machbar“, so die Argumentation einer Führungskraft. Insbesondere wenn man sich als Unternehmen in einer schwachen Position sieht, z.B. weil man in einer bevölkerungsschwachen Region tätig ist oder in einer gesellschaftlich nicht wertgeschätzten Branche oder sich selbst nicht als attraktiven Arbeitgeber sieht, empfindet man Prinzipien als realitätsfern und unpraktisch.

Die überwiegende Anzahl der Befragten favorisierte, sich mehr Zeit für die wenigen Kandidaten zu nehmen, um deren Talente und Potenziale näher zu analysieren. Wenn ein echter Wille da ist und das Potenzial besteht, die definierten Anforderungen in absehbarer Zukunft zu erfüllen, dann sollte man diese Kandidaten einstellen. Um die Kompetenzen und die Erfolgsaussichten besser einschätzen zu können, möchte man gerne Probearbeitstage nutzen. „Wenn das Potenzial da ist, wäre der höhere Aufwand für die Einarbeitung und Qualifizierung gerechtfertigt. Gleichzeitig gibt man den Kandidaten eine herausfordernde Perspektive und motiviert damit zu besonderen Leistungssteigerungen“, so die Erfahrung eines Fachbereichsleiters. Auch wären Führungskräfte und Personalmanager bereit, in die fachliche und persönliche Weiterqualifizierung des Kandidaten zu investieren, wenn man vom Talent und Potenzial überzeugt ist.

Es wird also in bewerberschwachen Berufen darauf ankommen, sich zu einem attraktiven Arbeitgeber zu entwickeln und mehr Energie auf die Analyse der Talente und Potenzial der Kandidaten zu legen. Wie sagte schon Konrad Adenauer: „Nehmen Sie die Menschen, wie sie sind, andere gibt’s nicht“.